Horcht, der Antiquar ist erwacht! Die Sonne hat den Zenit schon überschritten, jetzt knacken die Gelenke. Der Antiquar gähnt. Er schaltet umgehend, doch ohne Hast den Rechner ein. Keine Mails. Auch gut. Arbeit kann eine der schönsten Nebensachen der Welt sein.

Die Stammgäste trudeln ein. Man spielt Schach, erzählt Unsinn, lästert über Umstehende, beklagt sich über sein eigenes Los und entwirft in groben Zügen einen Plan zur Rettung der Welt in überschaubarer Zeit. Tagediebe finden immer zusammen. Die Schachuhr tickt, und der Tag gewinnt so langsam an Fahrt:

AUFTRITT DES KUNDEN.

"Hallo." Fünf Minuten Pause. Intensives Bestaunen der umstehenden Regale. "Wie ist denn das sortiert?" Der Antiquar räuspert sich. Er hebt an: "Also. Der Einfachheit halber fangen wir hinten an. Dort stehen Belletristik und Geschichte. Und vorne alles andere: Ein Regal Philosophie, dann Psychologie. Hier sind Reisen, und links steht Kunst und Architektur." - "Wo finde ich dann deutsche Literatur?" - "Das ist hier hinten auf der rechten Seite, die ersten drei Regale, es ist alphabetisch sortiert." - "Ich suche von Max Frisch 'Homo faber'..." Der Antiquar sackt in sich zusammen.

Kurzzeitig kommt Hektik auf, denn das Telefon schrillt. Am anderen Ende hängt aber nur ein zugekiffter Kollege und fragt nach Preisen von Büchern, die er noch nie gesehen hat.

Die Stammgäste öffnen sich nacheinander. Vom Heil der Welt führte das Gespräch ganz zwanglos zum baldigen eigenen Untergang. Man outet sich als wirrer Geist, auf der Suche nach einem tauben Ohr und Tiramisu. Das Ohr ist nicht zu finden, das Tiramisu gibts eine Ecke weiter. Das Leid wird größer.

Ein Auserwählter begibt sich in die hinteren Gemächer, um in den Müllkisten nach unverkäuflichen Büchern zu suchen, die ihm noch brauchbar erscheinen.

Es ist Zeit für den ersten Alkohol, denn ohne die rechte Füllhöhe schläft kein Mensch bis kurz nach Mittag. Und jetzt wird es trist. Jeder ist geknickt, mit seiner Innenwelt allein und stiert auf irgendetwas, das sich nicht bewegt. Hier folgt die nachgerade existentielle Erfahrung vollständiger Ereignislosigkeit. Es wäre sicherlich aufregender, hundert Bandnudeln zu föhnen. Oder?

Das Leben kann so einfach sein - und dabei doch so hart.

Glücklicherweise kommt irgendwann die Alte mit dem kurzen, breiten Hund herein: "Schönen Abend noch! Schönen Feierabend! Und daß wir uns morgen gesund wiedersehn!"


Damit wäre der größte Unsinn gleich am Anfang vom Tisch. Und nicht zu Unrecht bemerkt der Philosoph, der Anfang sei mehr als die Hälfte.